Christoph Tannert
Counterpoint

Matthias Hoch hat zur Charakterisierung seiner Position verschiedentlich auf Siegfried Kracauer verwiesen. Dessen Deutung der »Wirklichkeit als Konstruktion« ermutigte Hoch in Bezug auf eigene Visionen und Möglichkeiten der Darstellung von Wirklichkeit. Hoch, fasziniert von den Werkstoffen der Moderne, von Schwung und Grat, der sprachlos machenden Vielfältigkeit der Oberflächenstrukturen, die ihre Licht- und Schattenverhältnisse mitbedingen, erkannte die Notwendigkeit, die Haut der Gegenstände nicht nur abzufotografieren, sondern mit dem Material selbstkonstruierend zu verfahren.

Ob nun visionäre Großprojekte wie das 1998 eröffnete Stade de France in Paris mit seiner »technologisch hochgerüsteten Formensprache« oder das Geschäftsviertel La Défense, Matthias Hoch nimmt nicht die bedeutungslosen Gegebenheiten der Postmoderne hin wie sie sich dem banalen Blick ergeben, vielmehr sucht er mit seiner Art der Fotografie, hinter den schönen Schein und unter die ästhetisch reizvollen Spuren der Benutzung zu schauen, um den Gehalt der Dinge herauszuarbeiten.

Seine Analyse der Darstellung negiert dabei temporäre Elemente der Stadtmöblierung wie Werbung und Schriften aller Art, um auf den Kern der Dinge zu stoßen, den er dann in seinen Bildern zu modellhaften Codizes umformt.

In Hochs Triptychon Silver Tower #6-8 (2009) wird eine Vintage-Deckenbeleuchtung zum Gegenstand der Reflexion über den Umgang mit der Überfülle des Konkreten. Wir verstehen: Selbst in einer über drei Bildteile gezogenen Form des Ganzen ist »die« Wirklichkeit gewissermaßen inexistent und angesichts der Überfülle und Unübersichtlichkeit nicht repräsentierbar.

In der Art und Weise, wie Hoch die Lichtdecke auffasst, offenbart sich ein spielerisches Verhältnis in Bezug auf Tatsache und Aussage. Die Erzeugung von verschiedenen Lichtsituationen in einem fensterlosen, abhörsicheren Besprechungsraum des Vorstands der ehemaligen Dresdner Bank definiert also nicht die objektive Eigenschaft der Wirklichkeit, sondern fasst sie pragmatisch als eine unter bestimmten Bedingungen erzielte Übereinstimmung der am Prozess der Wahrheitsfindung Beteiligten.


© Christoph Tannert. Veröffentlicht in Counterpoint. Fotografische Positionen. Kunsthalle der Sparkasse Leipzig, 2015, S. 20-23.


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