Silver Tower

Aus dem Silver Tower schaut man auf die Welt, als säße man nicht in einem Haus, sondern in einem Space Shuttle oder einem Flugzeug: Die Eroberung des Alls und des Himmels, das größte Expansionsabenteuer der Moderne im 20. Jahrhundert, hinterlässt ferne Echos sogar in der Fensterform. From inside the Silver Tower, you look out onto the world as if you were sitting in a Space Shuttle or on a plane, not standing inside a building: the conquest of space and the heavens, the greatest expansionist adventure of modernity in the 20th century echoes faintly even in the shape of the windows.

Man sieht fast nichts. Eine graue Fläche, darin kreisförmige Vertiefungen, als sei das hier die Oberfläche eines Planeten mit einigen verstreut auftauchenden Kratern, das Licht weht ein paar sanfte Schatten über die Fläche – und erst wenn man näher hinschaut, erkennt man, dass man auf diesem Bild einen grauen, hochwertigen Teppich zu sehen bekommt, in dem die Beine schwerer Möbel ihre Abdrücke hinterlassen haben. Das Bild zeigt den Moment, an dem etwas vorbei ist. There’s almost nothing there to see. A grey surface; within it, circular depressions reminiscent of the surface of a planet with a few scattered craters, the light casting gentle shadows across it. Only on closer inspection do you realise what you’re looking at in this picture: a high-quality, grey carpet impacted by the legs of heavy furniture. The photograph depicts the moment something is over.

Eine der Aufnahmen zeigt die komplexen silbernen Rohre und Leitungen der Haustechnik, die wie Weltraumschrott unter der Decke hängen - so, als hätte ein geheimnisvoller Magnetismus alles Metall an diesem Ort zusammenkommen lassen. Der Leere der Räume steht das unentwirrbare Chaos ihrer Versorgung gegenüber. Der Gegensatz gibt dem Foto fast eine Jacques-Tati-hafte grimmige Komik: alle diese kurios komplizierten Anstrengungen, ein System am Laufen zu halten, waren letztlich vergeblich. One of the photographs depicts the complex silver pipes and conduits of the technical building systems suspended from beneath the ceiling like space junk, as if a mysterious magnetism had caused everything metallic in this location to cluster. The emptiness of the premises contrasts sharply with the inextricable chaos of their supply systems. This antagonism lends the photo a grim, almost Jacques Tati-like humour, with all these oddly complicated efforts designed to keep a system going ultimately in vain.

Excerpts from Niklas Maak: »Peripetien einer Gesellschaft. Matthias Hochs Werkgruppe zum Frankfurter Silver Tower.« Translated by Stephen B. Grynwasser. Published by Spector Books, Leipzig 2023. Read the complete text  → here

Images: Matthias Hoch, Silver Tower #3, 2009, c-print, 115 x 185 cm; Silver Tower #12, 2010, c-print, 115 x 152 cm; Silver Tower #41, 2010, c-print, 90 x 117 cm.

Ob in seiner Serie über den nagelneuen - und schon sanierungsbedürftigen - Berliner Flughafen, einer Folge zum leer stehenden Salzburger Hotel Kobenzl oder, wie hier, in ‚Silver Tower‘, stets interessiert sich der Leipziger Fotograf für Zwischenräume. Für Löcher in der Zeit, die jenen Moment markieren, wo etwas ein für allemal zu Ende geht. Und vielleicht auch etwas Neues, gänzlich anderes, beginnt.
Christoph Schütte, Löcher in der Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2023

The exhibition »Matthias Hoch, Silver Tower« was on view at Jacky Strenz Gallery, Frankfurt/Main, Sep 8 - Oct 28, 2023, jackystrenz.com

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