Silver Tower bei LiteraTurm
Im Rahmen des 7. Literaturfestivals FrankfurtRheinMain 2014 gab es 40 Veranstal-tungen mit 90 Autoren, Wissenschaftlern, Kritikern und Künstlern, die größtenteils im 170 Meter hohen OpernTurm stattfanden. Dort, wo tagsüber Anwaltskanzleien und Investmentbanken ihren Geschäften nachgehen, wurden am Abend die Pforten für die Kultur geöffnet. Das vom Kulturamt der Stadt Frankfurt konzipierte Festival stand unter dem Thema „Literatur und Zeit“ und verfolgte einen interdisziplinären Ansatz, so spielten auch andere Künste wie der Film, die Musik und die Fotografie eine Rolle.
»Bei einer der Veranstaltungen, die ich besuche, geht es nicht vorrangig um Literatur, sondern um Architektur und Fotografie, genau genommen um den Silver Tower im Bahnhofsviertel und um die Fotoserie von Matthias Hoch, die in den Jahren 2009 bis 2011 entstanden ist. Für mich ist es eines der Highlights des Festivals: Mich beeindrucken die klaren, menschenleeren, konzentrierten Fotografien, die immer nur Ausschnitte abbilden, niemals das Ganze. Hoch erzählt, er habe sich auf die Suche nach den Hinterlassenschaften der Bank gemacht, der Inszenierung von Macht – viel davon sei nicht mehr übrig gewesen, was er zuerst bedauert habe, aber dann habe er es als eine Schärfung seines Blicks für die kleinen Details begriffen. Man sieht verlassene Empfangshäuschen, Abdrücke von Möbeln auf Teppichen, mit Ledertapete überzogene Wände.
Äußerlich unterscheidet sich der Turm heute übrigens kaum vom 1978 eröffneten Original – das Verdienst der Architekten, die mit der Sanierung betraut wurden und die für den Erhalt der ursprünglichen Fassade kämpften. Einer von ihnen ist Michael Schumacher, der an diesem Abend anwesend ist. Er war es auch, der Matthias Hoch 2009 einlud, das Projekt fotografisch zu begleiten. Im Gespräch mit den beiden – und Moderator Jakob Hoffmann – ist außerdem der Schriftsteller Andreas Maier, der einen Text zum Bildband Silver Tower (Spector Books 2013) beigetragen hat, in dem er am Beispiel des Hochhauses auf ebenso kluge wie vergnügliche Weise über sich verändernde urbane Räume schreibt: »Eine Welt ist verschwunden, eine bestimmte, in sich geschlossene, lebendige Struktur, die – weil sie in sich geschlossen war – auch immer etwas Universales hatte und deshalb immer ein Abbild der gesamten Welt war. Alles, was draußen, außerhalb des Turms, geschah, geschah auch drinnen, wenn auch verkleinert, wenn auch nicht so zahlreich. Es gab vermutlich keine Beerdigungen, vermutlich keine Morde, wer weiß. Aber dass sie dort Kinder gezeugt haben, davon gehe ich aus. Sie haben auch dort gesoffen und gehurt und sich verliebt und ihre zartesten Augenblicke erlebt.«
Caterina Kirsten, aus: Literatur über den Dächern Frankfurts, Blog Schöne Seiten, 3.6.2014