Baustelle Ewigkeit

Eigentlich möchte man beim Stichwort BER nur noch müde abwinken und sich lieber etwas Positivem zuwenden. Doch an diesem Bildband bleibt das Auge hängen: Der Leipziger Fotograf Matthias Hoch zeigt in 52 ruhigen, konzentrierten Fotografien das Terminalgebäude und sein näheres Umfeld im jahrelang währenden Zwischenstadium des Fast-Fertigseins. Es sind Bilder, in denen eindrucksvoll die „Melancholie des Baus“ anklingt, wie es Freddy Langer 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausdrückte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Hoch gerade mitten in seinem Projekt. 

Die Idee dazu sei ihm schon 2012 gekommen, als die für Juni geplante Eröffnung kurzfristig geplatzt war. Es sollte aber noch bis 2017 dauern, bevor er die endgültige Erlaubnis zum Fotografieren erhielt. Drei Jahre lang war Hoch anschließend immer wieder am BER unterwegs. Er habe zwölf Mal je eine Woche, also insgesamt drei Monate seines Lebens an diesem Flughafen verbracht, rechnet der Fotograf in einem Gespräch über seine Arbeit mit Florian Ebner (Centre Pompidou) im Juni 2021 vor. Die Eröffnung des Terminal 1 am 31. Oktober 2020 beendete das Projekt: Dieser Moment sei für ihn inhaltlich und visuell nicht mehr interessant gewesen.

Worum es dem Fotografen, dessen Werk um die gebaute Welt und insbesondere um öffentliche Funktionsräume kreist, in seiner Serie BER geht, ist vielmehr das Festhalten und Verbildlichen eines unklaren Schwebezustands an einem Ort, an dem alles bereit scheint, und der doch seine Bestimmung noch nicht gefunden hat. „Ich komme jetzt in ein Architekturmodell im Maßstab 1:1“, habe er beim ersten Betreten des Flughafengebäudes gedacht. Und ebenso modellhaft wirken auch die Fotografien, die Hoch hier mit einer Großformatkamera aufgenommen hat.

Auch wenn diese Bilder präzise dokumentieren und unverkennbar eine Baustelle zeigen, sind sie keinesfalls als Baudokumentation zu verstehen. Vielmehr wohnt ihnen eine poetische Mehrdeutigkeit inne, die die Tür zur philosophischen Reflexion aufstößt. Scheitern, Stillstand, das Vergehen der Zeit, der Mythos von Sisyphos ebenso wie „Warten auf Godot“, aber auch das Alltägliche als Skulptur und die faszinierenden Konsistenzen von Verpackungsmaterialien – all das bringt dieses Fotobuch zur Sprache.

Matthias Hoch. BER
Mit Fotografien von Matthias Hoch und Texten von Kathrin Röggla und Thomas Weski, Deutsch und Englisch, 120 Seiten, ISBN 978-3-95905-439-3
Spector Books, Leipzig 2021

Aus der Rezension von Diana Artus, BauNetz, 14.12.2021

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